Diskussion über Bakary VOID mit Beatrice Achaleke, Irene Brickner, Manfred Novak etc.
Filmaufführung von VOID von Stefan Lucacs. Danach fand eine Podiumsdiskussion statt, die von der Journalistin Irene Brickner, der Standard moderiert wurde. Irene Brickner stellt die einzelnen Podiumsgäste vor: I.Brickner (Herzlich willkommen mein Name ist Irene Brickner A.d.A.): neben mir sitzt die Beatrice Achaleke, Expertin für Diversity Management unter anderem Gründerin und Geschäftsführerin des Vereins AFRA das ist das International Center for Black Women Perspectives. Neben ihr sitzt Manfred Novak, Leiter des Ludwig Bolzmanninstitutes für Menschenrechte und ehemaliger UN Sonderberichterstatter über Folter, neben ihm Karl Heinz Grundböck, Pressesprecher des Bundesministeriums für Inneres und auch ehemaliger hochrangiger Polizeiausbildner soweit ich weiss und neben ihm Stefan Lucacs, Regisseur dieses Films, dieses sehr beeindruckenden Films meiner Ansicht nach. Ich möchte mit Stefan anfangen und gleich zu beginn einmal klarstellen, was war jetzt sozusagen die Vorlage für das Drehbuch? Inwieweit ist das was wir gesehen haben authentisch, also das was tatsächlich geschehen ist? L: Ich habe mich beim Drehbuch sehr eng an das Polizeiprotokoll gehalten, bzw. an unterschiedliche Polizei Protokolle. Ja es gibt natürlich verschiedene, einerseits eben das das der Herr Bakary Jussy zu Protokoll gegeben hat, der Überlebende dieser Folter auch die Protokolle der Polizeibeamten, die da involviert waren, die unterscheiden sich natürlich. Im Endeffekt habe ich aus diesen Protokollen meine eigene Interpretation und meine eigene Wahrheit herausdestiliert. Also es hält sich sehr eng an das, was ich glaube, was die wahren Ereignisse waren. Ich habe auch sehr viel und detailliert mit dem Herrn Jussy dem Überlebenden darüber gesprochen. Es orientiert sich natürlich am meisten an seiner Version, an seinen Erlebnissen. Aber ich glaube, dass es sehr nahe an die Wahrheit herankommt. Aber es ist natürlich ein Film, es ist eine Fiktionalisierung. B: Was ich interessant gefunden habe ist der Titel des Films, also ich habe mir angeschaut: VOID übersetzt heisst entweder Fehlerstelle, oder entleert, oder entwertet, oder leer, wie kam es zu diesem Titel? L: Es ist eine Metapher für mich und zwar steht das für mich für eine Art rechtsfreien Raum eigentlich eine Blase, in der sich die Protagonisten in meinem Film bewegen, in der sie sowas wie Narrenfreiheit geniessen und da offensichtlich zumindest innerhalb des Films tun und lassen können, was ihnen beliebt. Dafür habe ich VOID als Metapher benutzt, sozusagen die Leere stehend für rechtsfreien Raum, Narrenfreiheit. B: Weil auf der Beschreibung des Films die da verteilt wurde steht, dass sie kein Erklärungsmodell haben oder keines anbieten wollen. Ist das was sie als Erklärungsmodell doch dann bezeichnen würden, die Leere, der rechtsfreie Raum? L: Ja natürlich ein bisschen ganz ohne Erklärungsmodells wäre wahrscheinlich übertrieben, weil natürlich ist es meine Interpretation des Ganzen und es trägt meine Handschrift. Ich haben natürlich schon meine eigenen Gedanken dazu, was die Gründe sind. Aber ja es ist schon offensichtlich es wird hier irgendwie ein rechtsfreier Raum geschaffen und der wird dann offensichtlich auch ausgenutzt. B: Dann möchte ich als nächsten den Herrn Grundböck der sozusagen aus dem Polizeibereich kommt, Sprecher des Bundesministeriums für Inneres einfach fragen eben, was da der Herr Lukacs aufgebracht hat. Also wie ist so etwas möglich, was gibt es jetzt ihrer Ansicht nach für Erklärungsmodelle, dass gerade eine Institution, die sich selber gern als Menschenrechtsbewahrerin bezeichnet, dass es im Rahmen dessen zu solchen Vorkommnissen kommen kann? G: Das Erste ist ganz klar die Fassungslosigkeit über das was geschehen ist. Das Erste ist noch nicht die logische und schlüssige Erklärung, wo alles ganz klar auf dem Tisch liegt und ich glaube das Erste war auch mal die Fassungslosigkeit auch ein „nicht- Glauben- wollen“, was da alles geschehen ist. Das war jetzt so die Reaktion insgesamt auch auf Seiten der Polizei und was gerade auch Stephan Lukacs auch angesprochen hat, der Film ist brutal. Es gibt einen Grund warum der Film brutal ist, weil das was geschehen ist an Brutalität schwer zu überbieten ist und es eigentlich nur ein kleiner Schritt wäre plötzlich nicht mehr in Österreich zu sein, sondern…..Ich glaube da kann Manfred Novak mehr dazu erzählen. Ich glaube die Frage ist in welchem Biotop kann so etwas geschehen, nämlich höchst kriminelles agieren von Polizisten. In der Polizeisoziologie finden sich Modelle, die man heranziehen kann, für die Erklärung und um diese Fassungslosigkeit irgendwo auch greifbar zu machen. Die Polizeisoziologie unterscheidet zwischen zwei Polizeikulturen, zwischen einer Polizeikultur als Kultur der Führungsebene und der sogenannten „Cop Cultur“ als Kultur der sogenannten „strassenarbeitenden“ Polizisten und das wird unterschieden diese beiden Kulturen. Es ist eben auch ein Symptom dass eine Polizei, die sich auf einer operativen Ebene loslöst von Regeln in der Organisation, die sich ihre eigenen Regeln gibt und sich damit auch ausserhalb einer Rechtsordnung stellt. Das passt eben auch ganz gut in diese Blasenmodell, das Stephan Lukacs angesprochen hat. Das Interessante dabei ist, dass je strenger die Hierarchie ist, gerade dieses Auseinanderfallen von Polizeikultur als Kultur der Führungsebene die sich eben dann als Menschenrechtsorganisation bezeichnet und der „Cop Cultur“ als Kultur der „strassenarbeitenden“ Polizisten, die sich ausserhalb der gesamten Rechtsordnung ihre eigenen Regeln geben, dass je stärker die Hierarchie ist umso stärker auch dieses Phänomen des Auseinanderfallens dieser beider Kulturen, auch auftritt, weil es eine völlige Auflösung von Verantwortung ist. B: Ja aber die Frage ist für mich schon: wie ist es z.B. möglich dass jemand wie dieser Redelsführer – weil es wird ja in diesem Film geschildert eine Art Gruppendynamik eine ganz ganz zerstörerische Gruppendynamik. Wie ist es möglich, dass jemand wie dieser Redelsführer in den Polizeidienst kommt? Was macht man um zu erkennen, dass jemand solche Strukturen, solche Gedanken im Kopf hat? G: Also das Eine ist ein Auswahlverfahren und wo man natürlich mehr schlecht als recht erfassen kann, welche Haltungen bei Menschen bestehen. Das andere ist aber gerade von dieser Perspektive der Organisationskultur auch eines zu sehen, es sind nicht immer die Menschen, die durch die Organisation gehen, oft ist es auch die Organisation, die durch Menschen geht und Menschen trägt. Ich glaube es ist auch eine Frage auch von Rahmenbedingungen, wie Menschen dann auch im konkreten Situationen agieren und sie haben es angesprochen, ich war lange in der Polizeiausbildung tätig und eines haben wir auch lernen müssen, nämlich dass das Verhalten von Menschen gerade in hierarchischen Organisationen oft nicht durch ihre Anlagen durch das was sie gelernt haben erklärbar ist, sondern oft auch durch Kulturen in Organisationen. Schicken Sie Ihre Kommentare an Elisabeth.doderer@gmail.com Danke!